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Hypnopompe Kreativität

Hypnopompe Kreativität

Maler Salvador Dalí hat es getan. Erfinder Thomas Alva Edison hat es getan. Die Rede ist von: Kreativschlaf.

Beide beschreiben eine Schlaftechnik, um Kreativität zu inspirieren. Dafür benötigt man nichts weiter als einen Gegenstand wie einen Löffel oder einen Ball, während man sich zum Schlafen hinlegt. Sobald man abdriftet, erschlafft die Hand, das Objekt fällt hinunter, macht ein Geräusch und weckt den ‚Halter‘ so auf. Der Schlüssel zum kreativen Denken lag für Dalí und Edison im richtigen Timing, wenn eine bestimmte Schlafphase einsetzt, in der sich die Realität mit der Fantasie zu vermischen scheint. Diese Grauzone wird Hypnagogie genannt.

Hypnagogie

Laut Wikipedia bezeichnet Hypnagogie „einen Bewusstseinszustand, der beim Einschlafen oder Tagschlafen auftreten kann. Eine Person im hypnagogen Zustand kann visuelle, auditive und taktile Halluzinationen erleben.“ Das kennst du vielleicht, wenn du beim Einschlafen das Gefühl hast zu stolpern oder zu fallen und dein Bein automatisch anfängt zu zucken. Einige wachen durch diesen Bewegungsreiz wieder auf.

Der Übergang vom Wachsein zum hypnagogen Zustand vollzieht sich fließend. Auch wenn das Wachdenken vorwiegend abstrakt ist, wird es im Hintergrund vom ‚anschaulichen‘ Denken begleitet. Die nach außen gerichtete Aufmerksamkeit ist herabgesetzt, das abstrakte Denken aber nicht völlig abgeschaltet. Die Gedanken reihen sich lockerer und ungezielter aneinander, mehr analog als logisch verknüpft.“

Es erscheint schlüssig, dass Menschen während dieser Phase zu kreativen Lösungen kommen, die im Wachzustand nicht zugänglich schienen. Aber ist an der Überlieferung von Dalí und Edison tatsächlich etwas dran? Ja!

Der "ideale Cocktail für Kreativität"

Forscher haben sich in einer aktuellen Studie intensiv mit der kognitiven Rolle des hypnagogen Zustands auseinander gesetzt und herausgefunden, dass er den „ideale[n] Cocktail für Kreativität“ darstellt, wobei Kreativität hier weiter gefasst wurde als „Originalität und Nützlichkeit für den Kontext“.

Während eines Experiments sollten Teilnehmer mathematische Probleme lösen, jeweils vor und nach einer 20-minütigen (hypnagogen) Schlafpause. Der Clou: Es gab eine versteckte Regel, die Operationen abkürzte, sodass man schneller zur Lösung gelangen konnte. Gemessen wurde die „kreative Einsicht“ der Teilnehmer. Der Plan ging auf: Die Forscher fanden heraus, dass Teilnehmer, die mindestens 15 Sekunden in der hypnagogen Phase verbrachten, eine 83-prozentige Chance hatten, die verborgene Regel zu entdecken, verglichen mit einer 30-prozentigen Chance für diejenigen, die wach blieben. Sie haben das Problem ‚kreativ‘ gelöst.

Wichtig sei allerdings das Gleichgewicht zwischen leichtem Einschlafen und zu tiefem Einschlafen, schlossen die Forscher. Denn sobald die Teilnehmer in den sogenannten Non-REM-Schlaf [= stabiler Schlaf vor Beginn des Tiefschlafs] fielen, verschwand der kreative Effekt.

Wenn du jetzt neugierig geworden bist, probiere es selbst aus! Alles, was du brauchst, ist ein ruhiges Plätzchen und ein Gegenstand, den du in der Hand halten kannst. (Eine Freundin von mir hat dafür ihren Schlüsselbund genutzt.) Get creative.

Forschungsquelle

Sleep onset is a creative sweet spot
Science Advances 2021, Vol. 7, No. 50, eabj5866